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Diversion: Kein Schuldspruch – Einstellung des Strafverfahrens ohne Eintrag im Strafregister

Im Jahr 2024 wurden in Österreich rund 534.000 Strafanzeigen erstattet. Knapp 5% davon resultierten in rechtskräftigen Verurteilungen. Doch was geschah mit den restlichen 95% der Strafanzeigen? Ein Großteil davon wurde mittels Diversion beendet. Darunter versteht man die besondere Möglichkeit, ein Strafverfahren ohne Urteil „hinter sich zu bringen“ – das heißt ohne gerichtlich verurteilt und somit ohne vorbestraft zu sein. An die Stelle einer gerichtlichen Verurteilung treten dabei Auflagen oder Leistungen, die sowohl für den Beschuldigten als auch für das Opfer Vorteile bringen können.

Was ist eine Diversion und wann kommt sie in Betracht?

Von Diversion spricht man, wenn das Strafverfahren durch die Staatsanwaltschaft oder durch das Gericht eingestellt wird, ohne dass der Beschuldigte zu einer Strafe verurteilt wird. Im Strafrecht spricht man auch von einem Rücktritt von der Verfolgung. Stattdessen werden dem Beschuldigten bestimmte Pflichten auferlegt. So kann der Beschuldigte eine Geldbuße zahlen oder gemeinnützige Leistungen erbringen oder aber mittels Tatausgleich seine Tat gegenüber dem Opfer wieder gut machen. Zuletzt besteht auch die Möglichkeit, dass das Verfahren unter Setzung einer Probezeit von 1-2 Jahren eingestellt wird, ohne dass sonstige Verpflichtungen hinzutreten. Die Art der Diversionsmaßnahme bestimmt die Staatsanwaltschaft oder das Gericht, wobei der Beschuldigte zustimmen muss.

Die Möglichkeit, eine diversionelle Erledigung zu erlangen, ist an bestimmte grundsätzliche Voraussetzungen gebunden. So kann die Diversion prinzipiell nur bei leichteren bis mittleren Straftaten mit einer Strafdrohung von maximal 5 Jahren angewandt werden. So kommt es regelmäßig bei geringfügigen Diebstählen, Betrug, (fahrlässiger) Körperverletzung, Sachbeschädigung oder bei Verkehrsdelikten zu Diversionsmaßnahmen.

Zusätzlich darf den Beschuldigten keine schwere Schuld treffen und dürfen keine spezial- oder generalpräventiven Gründe für eine Bestrafung des Beschuldigten sprechen. Dies bedeutet, dass schwere Gewalt- oder Sexualdelikte und Delikte mit Todesfolge von einer Diversion ausgeschlossen sind (Ausnahme: Jugendstrafrecht). Zuletzt hängt die Diversion auch von der Haltung des Beschuldigten ab, der bereit sein muss, Verantwortung für die ihm zur Last gelegte Tat zu übernehmen. Ein Geständnis ist nicht notwendig.

Ablauf der Diversion

Sind die Voraussetzungen erfüllt, bietet die Staatsanwaltschaft oder das Gericht dem Beschuldigten eine Diversion an. Der Beschuldigte kann über seinen Verteidiger auch einen Antrag auf Diversion stellen. In der Praxis berät der Verteidiger den Beschuldigten zu den Möglichkeiten einer Diversion und führt mit der Staatanwaltschaft oder dem Gericht dazu ein Diversionsgespräch. Die Diversion zählt in vielen Fällen zu einer wichtigen Verteidigungsstrategie.

Der Beschuldigte kann der Diversion und der konkreten Diversionsmaßnahme zustimmen, die angebotene Diversionsmaßnahme aber auch ablehnen. Zudem kann er während einem Strafverfahren jederzeit eine Diversion beantragen. Liegen die Voraussetzungen vor, muss die Staatsanwaltschaft bzw das Gericht diversionell vorgehen, widrigenfalls ein dennoch ergehendes Strafurteil mit Nichtigkeit behaftet ist und in zweiter Instanz bekämpft werden kann.

Was passiert nach der Diversion?

Wurde die passende Diversionsmaßnahme bestimmt, tritt die Staatsanwaltschaft vorläufig von der Verfolgung zurück bzw stellt das Gericht das Strafverfahren mit Beschluss ein und der Beschuldigte hat die ihm auferlegten Pflichten zu erfüllen (zB Zahlung einer Geldbuße binnen einer bestimmten Frist). Nach Ablauf der Frist tritt die Staatsanwaltschaft sodann von der Strafverfolgung zurück und das Strafverfahren ist endgültig erledigt. Der Beschuldigte ist nicht vorbestraft und es erfolgt kein Eintrag in das Strafregister. Lediglich zu internen Zwecken wird die erfolgte Diversion für 10 Jahre im System gespeichert.

Die rasche Beendigung des Strafverfahrens und Vermeidung einer Verurteilung sind die wesentlichsten Vorteile einer Diversion.

Scheitert die Diversion, weil der Beschuldigte die Pflichten nicht einhält oder er binnen offener Probezeit neuerlich straffällig wird, kann das vorläufig eingestellte Strafverfahren wieder aufgenommen werden. In diesem Fall kann es durchaus zu einer Verurteilung (samt Vorstrafe) kommen.

Was kostet die Diversion?

Vom Beschuldigten ist bei jeder Form der diversionellen Erledigung ein Pauschalkostenbeitrag von bis zu € 250 zu leisten (§ 388 StPO). Dieser kann jedoch im Falle von nur geringem Einkommen bei Gefährdung des Unterhalts des Beschuldigten und seiner Familie oder sofern es die Schadensgutmachung oder die Erfüllung des Tatausgleichs gefährden würde, nachgesehen werden.

Zum gerichtlichen Kostenbeitrag treten allenfalls die Kosten der anwaltlichen Verteidigung hinzu. Bei Strafverfahren, die mit Diversion beendet werden, können hohe Strafverteidigungskosten vielfach vermieden werden, da es meistens nicht zu kostenintensiven Haupt- und Rechtsmittelverfahren kommt.

Fazit

Die Diversion bietet viele Vorteile und eine Chance, Verantwortung zu übernehmen, Wiedergutmachung zu leisten und gleichzeitig die negativen Folgen einer Verurteilung zu vermeiden – all dies im Rahmen eines raschen und kostenschonenden Verfahrens. Sie ist eine beliebte und faire Alternative zum klassischen Strafverfahren und liegt zumeist im Interesse des Beschuldigten und des Opfers.

Gerne stehen wir Ihnen für ein Gespräch zur Diversion beratend zur Verfügung und unterstützen Sie dabei, eine diversionelle Erledigung Ihres Strafverfahrens zu erlangen.

Dr. Heidemarie Paulitsch
Dr. Heidemarie Paulitsch
  • Strafrecht
  • Wirtschaftsstrafrecht

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