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Häme und Spott als Milderungsgrund bei der Strafbemessung

Hohe Medienpräsenz und außergewöhnliches öffentliches Aufsehen eines Strafverfahrens zum gewichtigen Nachteil eines Angeklagten und seiner Familie sind vom Gericht bei der Strafbemessung zu berücksichtigten.

Wenn ein Beschuldigter aufgrund des Tatvorwurfs über einen längeren Zeitraum hinweg in der Öffentlichkeit derart verspottet wird und dies außergewöhnliche psychische, soziale, familiäre, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Belastungen nach sich zieht, kann dies einen besonders zu gewichtenden Milderungsgrund darstellen (§ 34 Abs 1 Z 19 Strafgesetzbuch). Das hat das österreichische Höchstgericht (OGH) in einer Entscheidung vom 25.3.2025 (GZ 14 Os 61/23m) im sogenannten BUWOG-Verfahren festgehalten. Es hat jahrelange Häme und öffentlichen Spott gegenüber einem Angeklagten bei der Strafbemessung mildernd berücksichtigt.

Zwar zog das Höchstgericht ins Kalkül, dass die hohe Medienpräsenz und das außergewöhnliche öffentliche Aufsehen auch dem Umstand geschuldet waren, dass der betroffene Angeklagte im besonderen öffentlichen Interesse stand. Im BUWOG-Verfahren brachte das Höchstgericht die Reaktion der Öffentlichkeit, dass dem Fall in Bezug auf den Angeklagten zuteil wurde, als mildernd in Anschlag. Bislang war die Rechtsprechung dazu sehr zurückhaltend: Wurde das öffentliche Aufsehen vom Angeklagten selbst verursacht, wurde ein solcher Milderungsgrund in der Regel verneint. Nun aber anerkennt das Höchstgericht ausdrücklich, dass auch Reaktionen in der Öffentlichkeit die Strafe beeinflussen können.

Die Entscheidung zeigt, dass Gerichte zunehmend auch gesellschaftliche und mediale Begleitumstände in die Strafzumessung einbeziehen. Spott und Häme können den Ruf von Beschuldigten ruinieren und auch ihre Familien nachhaltig belasten. Damit wird der Faktor „öffentliche Vorverurteilung“ stärker berücksichtigt.

Eine detaillierte Analyse dieser Entscheidung und ihrer Folgen für die Strafrechtsdogmatik hat unser Kollege Mag. Oliver M. Loksa in einem Beitrag in der ecolex-Ausgabe 8/2025 veröffentlicht.

Dr. Heidemarie Paulitsch
Dr. Heidemarie Paulitsch
  • Strafrecht
  • Wirtschaftsstrafrecht

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