Künstliche Intelligenz im Wirtschaftsstrafverfahren – Chancen, Grenzen und juristische Herausforderungen
KI durchdringt zunehmend auch den sensiblen Bereich des Strafrechts – insbesondere das Wirtschaftsstrafrecht. Die Potenziale für Effizienzsteigerung, Analyse großer Datenmengen und die Standardisierung von Entscheidungen sind beeindruckend. Doch wie weit darf der Einsatz von KI im Strafverfahren wirklich gehen?
Vielfältige Einsatzmöglichkeiten
In ihrem Artikel der Ecolex zeigt Expertin Kerstin Waxnegger den aktuellen Stand in Österreich auf: KI wird bislang vor allem als unterstützendes Tool zur Recherche, Spracherkennung oder Aktenaufbereitung verwendet – etwa durch Tools wie Genjus KI oder Lexis+AI. In naher Zukunft könnten weitere Einsatzbereiche folgen:
Predictive Policing und forensische Bild-/Datenanalysen
Tatrekonstruktionen mittels KI-gestützter Simulationen
Rückfallprognosen und „Smart Sentencing“
Entscheidungsunterstützung für Richter:innen
Zwischen Effizienz und Grundrechten
Ein zentrales Versprechen der KI liegt in der Verfahrensbeschleunigung: KI kann enorme Datenmengen schneller und strukturierter analysieren als der Mensch – besonders relevant in komplexen Wirtschaftsstrafverfahren. Sie könnte damit zur Voraussetzung eines funktionierenden Rechtsstaats werden.
Doch dieses Potenzial birgt auch Risiken:
- Bias und Diskriminierung: KI reproduziert historische Vorurteile.
- Intransparenz: Black-Box-Modelle sind schwer nachvollziehbar.
- Einfluss auf richterliche Entscheidungsfreiheit: Der sogenannte technische Perseveranzeffekt gefährdet die freie Beweiswürdigung.
Was ist (noch) erlaubt – und was nicht?
Die rechtlichen Grenzen sind klar:
- KI-Richterinnen*? Unzulässig. Entscheidungen erfordern individuelle, menschliche Abwägung.
- KI-Lügendetektoren? Verboten – mangelnde wissenschaftliche Verlässlichkeit und Verletzung von Beschuldigtenrechten.
- Forensische Analysetools? Unter Beachtung der Strafprozessordnung zulässig, sofern verhältnismäßig.
- Smart Sentencing? Möglich – solange es sich auf statistische Auswertungen beschränkt und nicht entscheidungsleitend wirkt.
Fazit: Mensch und Maschine – ein Zusammenspiel auf Augenhöhe?
Der Einsatz von KI im Strafverfahren darf niemals den Menschen ersetzen, sondern muss unterstützend und nachvollziehbar wirken. Er bedarf klarer Grenzen, hoher technischer Qualität – und: juristischer KI-Kompetenz. Nur wer die technischen Möglichkeiten und Risiken kennt, kann fundiert über ihre Zulässigkeit entscheiden.
Ein frühzeitiger, differenzierter Diskurs über den Einsatz von KI im Strafrecht ist unerlässlich. Denn eines ist klar: Die digitale Transformation macht auch vor dem Gerichtssaal nicht halt – wir müssen sie rechtsstaatlich gestalten.
Vielen Dank an Kerstin Waxnegger für diese interessante Analyse.